Nimm doch nicht immer alles so persönlich
Diesen Satz hab ich früher oft gehört. Weil – na ja – weil ich tatsächlich immer alles gleich auf mich bezogen habe. Jede Kritik, jedes „aber“, jeden komischen Blick hab ich dahingehend interpretiert, dass mein Gegenüber findet, dass mit mir etwas nicht stimmt. Und meine Reaktion war meistens: heulen. In der Zeit habe ich Diskussionen gemieden, Streit gescheut, ich glaube, man wollte auch mit mir irgendwann nicht mehr Tacheles reden. Weil ich einfach immer ganz schnell feuchte Augen bekommen habe. Wie ein erschreckts Mäuschen, nicht schön.
Später dann, am Abend nach solchen Erlebnissen, kam dann noch eine andere Reaktion. Ich hab mich geärgert, war gekränkt, hab gegrübelt, warum man wohl so gemein zu mir ist. Ich hab die Ursache für meine Heulerei zu 100% im Außen gesehen. „Die“ sind schuld, weil die so mit mir reden und ich bin das Opfer. Und wenn die so mit mir reden, kann es um meine Wertschätzung bei denen nicht so gut bestellt sein. Ich hab mich richtig, richtig arm gefühlt.
Wenn ich heute zurückschaue, lag’s nicht an den anderen.
Dass ich ständig dem Heulen nahe war (oder geweint habe) lag vor allem an meiner fehlenden Klarheit und dem Wunsch zu gefallen. Und irgendwann habe ich erkannt, dass ich an mir arbeiten muss, etwas verändern muss, wenn ich nicht diese kleine, arme, weinende, fünfunddreißigjährige Rita sein möchte.
Mehr Klarheit musste her. Ich habe angefangen, zu Übungszwecken mich selbst und diese für mich so schwierigen Gespräche mit mehr Abstand zu betrachten. Ich hab mir am Abend vorgestellt, ich sehe mich und meinen Tag im Fernsehen. Und wenn man es schafft, diesen Schritt zur Seite zu gehen, aus der Situation raus, dann merkt man auch, dass da oft gar kein komischer Blick ist. Man merkt, dass man überreagiert. Man sieht sich selbst in einer Rolle, die einem nicht gefällt. Und es wird einem klar, dass nicht nur die anderen schuld sind daran, dass man sich so schlecht fühlt.
Zu meinem Übungsprogramm gehörte auch, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen. Wenn man das tut – nicht mit dem Kopf, sondern gefühlsmäßig – ist es relativ leicht zu verstehen, dass Menschen eben nur Menschen sind, mit eigenen Problemen, mit eigenen Sehnsüchten, mit oft guten Absichten und blöden Umsetzungen. Dass sie schroff sind, weil sie daheim Probleme mit dem Partner haben und nicht, weil man selbst sich falsch verhalten hat. Dass sie Entscheidungen treffen, weil sie etwa für sich und ihre Familie etwas Gutes wollen und nicht, weil ihnen ihre Angestellten egal sind. Dass sie nicht frech und fordernd sind, sondern selbst heillos überfordert. Rechtfertigen tut das grausliges Verhalten natürlich nicht. Aber wenn man die Hintergründe versteht, gelingt das mit dem „nicht so persönlich nehmen“ etwas leichter.
Zur Klarheit brauchte ich aber auch noch Stärke.
Ich hatte eine Phase in meinem Leben, wo ich mich unbewusst nur danach gerichtet habe, was ich gedacht habe, das man von mir erwartet. Ich wollte gefallen, ich wollte so sein, wie ich gebraucht wurde, ich wollte wertgeschätzt und geliebt werden. Und über dem mich nach anderen richten habe ich total verloren und vergessen, wer ich wirklich bin, was mir selbst wichtig ist, was ich gut finde und was ich mir wünsche.
Auch das habe ich irgendwann erkannt und begonnen, mich wieder auf die Suche nach mir selbst zu machen. Wenn man das so sagt, klingt das pathetisch und fast esotherisch, aber es war genau so. Ich habe langsam angefangen, auf mein Herz zu hören, meine eigenen Wünsche wieder zu spüren und wichtig zu finden. Ich habe langsam aufgehört, mich zu verbiegen und zu verdrehen, und bin zu der starken Frau geworden, die ich eigentlich bin. Mit eigenen Ansichten, eigenen Meinungen und eigenen Standpunkten.
Heute, ja heute sehe ich kaum mehr komische Blicke, die ich auf mich beziehe. Kritik kann ich meistens als andere Meinung akzeptieren oder auch annehmen, wenn sie berechtigt ist. Und wenn man schroff oder gemein zu mir ist, dann weine ich nur mehr ganz selten Ich kann erkennen, dass ich weder etwas falsch gemacht habe noch der Grund für das Verhalten der anderen bin. Ich kann ganz anders reagieren. Und in Situationen wo ich früher geheult, mich gekränkt und gegrübelt hätte, entspannt heute ein „Na, bist du mit dem falschen Fuß aufgestanden?“ die Lage meistens ganz schnell.
Wenn ich das lernen und mich so verändern konnte, dann könnt Ihr das auch.
Foto von Brooke Cagle auf Unsplash
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