Über die Anstrengung, nichts zu tun

Kennt Ihr das alte Zen-Sprichwort: „You should sit in meditation for 20 minutes a day, unless you’re too busy; then you should sit for an hour.“? Ich musste letztens daran denken, als ich einen Artikel in einer Zeitschrift gelesen habe. Es ging in dem Artikel darum, dass es Zeit und Raum braucht, eine gewisse Form von Leere, um Platz für Kreativität und Intuition zu schaffen.

Dass dem so ist, erfahre ich in meiner Arbeit täglich. Während ich jemanden ströme, tröpfeln mir ganz oft Gedanken in den Kopf, die für die Arbeit mit der Person total wertvoll sind. In einer Yoga-Stunde, wenn ich die Endentspannung angesagt habe, bräuchte ich manchmal einen Notitzblock, weil die Ideen nur so sprudeln. Und wenn ich mir, bevor ich einen Kurs halte, 20 Minuten Zeit nehme, um nichts zu tun, ist das Unterrichten viel müheloser und flüssiger, die Worte, der Inhalt kommen dann wie von allein.

Mühelosigkeit.

Was für ein schöner Zustand. Ohne Anstrengung. Von allein. Herrlich, oder? Und das alles als Resultat von ein bisschen Nichts-Tun und Nichts-Denken. Aber was machen wir ständig? Irgendwas. Ja genau! Jede freie Minute füllen wir mit irgendetwas. Während des Kaffeetrinkens genießen wir nicht den Geschmack, wir lesen die Zeitung. Während der Busfahrt schauen wir nicht aus dem Fenster, wir scrollen durch Facebook. In den freien Abendstunden sitzen wir vor dem Fernseher und zappen durch das belanglose Programm – und haben noch zusätzlich das Smartphone in der Hand. Ja sogar aufs Klo nehme ich was zu lesen mit…!

Woran liegt das? Haben wir das Gefühl, etwas zu versäumen? Mag sein, aber ich glaube, aus dem Alter, dass ich Angst habe am nächsten Tag im Pausenhof nicht mitreden zu können, wenn ich die letzte Folge von XY nicht gesehen habe, bin ich schon länger raus. Entspannung? Ja, manchmal ist es entspannend, sich nach einem Tag voller Inhalte mit Belanglosem berieseln zu lassen. Ablenkung, sich nicht mit dem beschäftigen wollen, was vielleicht hochkommt, wenn man mal nichts denkt? Sicher bei vielen Menschen.

Aber wisst Ihr, was bei mir ganz oft der Grund ist? Man muss doch was tun. Man kann doch nicht einfach rumsitzen und Löcher in die Luft starren. Produktiv sein ist die Devise, es gibt doch noch so viel zu tun, zu erreichen. Außerdem: Von nichts kommt nichts, haben wir ja schon als Kinder gehört. Ist etwas wirklich gut, wenn wir es uns nicht hart erarbeitet haben? Kommt Euch dieses Denken bekannt vor?

Muss man wirklich immer was tun?

Ich war mal ein halbes Jahr lang arbeitslos. Bewusst, selbstgewählt, als Ausweg aus einer Situation, in der ich kurz vor einem Burn-Out stand. Wisst Ihr, was das schweste war? Das Nichts-Tun. Ich hatte endlich Zeit mich auszuruhen, aber an einem Dienstag Vormittag an einem See zu liegen und in die Luft zu schauen, hat sich falsch angefühlt, verboten. Ich habe damals bestimmt zwei Monate gebraucht, bis ich es halbwegs genießen konnte, Zeit zu haben fürs Unproduktivsein.

Und was soll ich Euch sagen: Die Gewohnheit is a Hund! Auch heute, jetzt und hier, wo ich es doch eigentlich schon weiß, bin ich froh, dass ich öfter daran erinnert werde, dass ich auch mal nichts tun darf. Dass es in Ordnung ist, wie gerade ebend aus dem Fesnter zu schauen und ein paar Minuten einem gefrohrenen Blatt zuzuschauen, das im eisigen Wind am Baum flattert. Ich möchte das für mich wieder mehr kultivieren. Nicht mehr so viel Facebook oder Instagram, um leere Zeit zu füllen. Lieber leere Zeit genießen. Ihr könnt’s ja auch mal probieren!

Foto von Simon Matzinger on Unsplash

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