Was Verzeihen ist – und was nicht
Ich freu mich ja immer wahnsinnig, wenn ich merke, dass mein Geschreibsel jemand liest. Und nach meinem letzten Blogbeitrag hab ich einige sehr schöne Reaktionen und Feedback von Euch erhalten. Danke dafür! Das letzte Mal ging es ums sich in andere Hineinversetzen, der anderen gute Absicht bei blöden Handlungen zu erkennen und dadurch einfacher verzeihen zu können. Hier nochmal zum Nachlesen: VERZEIHEN IST NICHT FÜR DEN ANDEREN
Jemand von Euch hat mir dazu geschrieben, dass es bei derjenigen Person nie daran mangelt, die Sichtweise des anderen zu sehen und zu verstehen, dass das ohnehin immer schnell passiert. Und dass dadurch die eigenen Gefühle, die eigene Kränkung und das Recht darauf, sie wahrzunehmen, zu kurz kommen. Dadurch fällt es dann trotzdem eben oft schwer, alte Verletzungen hinter sich zu lassen.
Erstmal vielen Dank für das Feedback! Und ja: Ich weiß genau, was Du meinst. Ich war und bin auch sehr gut darin, zu verstehen, warum andere Menschen etwas machen, warum sie nicht anders können. Und wenn man die Person dann auch noch aus tiefstem Herzen liebt, passiert es ganz schnell, dass man über den eigenen Schmerz hinweggeht, Demütigungen aushält, die eigenen Gefühle zurückstellt und verzeiht, verzeiht, verzeiht. Aber das ist falsch verstandenes Verzeihen.
Verzeihen heißt nicht, sich weiter alles gefallen zu lassen.
Denn zu verstehen, warum jemand anderer etwas macht, die gute Absicht dahinter zu sehen, heißt nicht, es gutzuheißen. „Macht ja nix! Ist schon gut!“, sagen wir oft. Aber das ist es nicht. Es ist nicht gut. Und es macht schon etwas. Zu verstehen, warum jemand anderer sich beschissen verhält, heißt nicht, dass man es hinnehmen und schon gar nicht, dass man es aushalten muss. „Stopp!“ zu sagen, auch wenn man jemanden sehr liebt, oder im Nachhinein – auch wenn man verzeiht – ganz klar zu sehen, dass man sich so nicht behandeln lässt, ist wichtig. Denn es heißt, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und die eigenen Bedürfnisse und Gefühle mindestens so wichtig zu nehmen wie die des anderen. Und ohne Eigenverantwortung gibt es keine Selbstbestimmung, keine Freiheit.
Verzeihen heißt nicht verdrängen.
Dass jemandem zu verzeihen befreiend wirkt und sich gut anfühlt, bedeutet aber nicht, dass man es nach einer Kränkung sofort machen muss. (Müssen tut man sowieso gar nichts, Stichwort: Eigenverantwortung ;)) Die eigenen Gefühle wegzuscheiben, zu unterdrücken, zu verdrängen, um dem anderen verzeihen zu können, das wäre keine gute Idee. Denn dann verzeiht man nicht wirklich und die alte Wunde platzt irgendwann wieder auf. Es ist sehr wichtig, die Verletzung anzuerkennen, sich zu erlauben, wütend zu sein und traurig zu sein. Der Anfang allen Verzeihens ist sowieso, die Situation anzunhemen und zu akzeptieren, wie sie ist. Denn nur wenn man es schafft zu sagen: „Ok, so ist es nun mal.“, wenn man das schmerzhafte Gefühl zulässt, kann man sich damit auch auseinandersetzten. Nur so kann man sich selbst verstehen, die eigenen Bedürfnisse erkennen und anerkennen. Und sich selbst zu verstehen ist mindestens genauso wichtig – ach was sag ich – noch viel wichtiger, als das Gegenüber zu verstehen.
Verzeihen heißt nicht zurückkehren.
Wenn man jemandem verziehen hat, heißt das nicht, dass der- oder diejenige das Recht hat, wieder in unser Leben zurückzukehren. Natürlich kann eine alte Beziehung nach dem Vergeben wieder eng werden. Aber um alten Groll hinter sich zu lassen, muss es nicht sein. Lasst uns nicht vergessen: Wir verzeihen vor allem für uns selbst. Weil wir Altes loslassen wollen, weil wir uns befreien wollen, wieder selbstbestimmt leben wollen. Tatsächlich geht es dabei nur in einer untergeordneten Rolle um das Gegenüber, und somit ist es auch ganz unerheblich, ob und wie die Beziehung weitergeht. Manchmal ist es ganz gesund, die Distanz zu wahren und sich nicht wieder tagtäglich mit jemandem auseinanderzusetzen, der einem einmal so weh getan hat. Nicht weil es noch immer weh tut, sondern weil man einfach keine Lust mehr auf Spielchen hat und es einem selbst ohne die andere Person einfach besser geht. Das ist vollkommen in Ordnung!
Verzeihen heißt loslassen!
Vielleicht ist „verzeihen“ für das, was ich meine, auch das falsche Wort. Mir ist nur wichtig, dass Ihr versteht, dass man alte Verletzungen – egal ob klein oder groß – nicht sein Leben lang mit sich herumschleppen muss. Man muss nicht ewig leiden, weil einem einmal Leid widerfahren ist. Man muss nicht hart und verschlossen werden, damit es in Zukunft nie wieder so weh tut. Du darfst loslassen! Du darfst alte Gefühle loslassen, Du darfst Menschen loslassen, die einmal sehr wichtig in Deinem Leben waren, Du darfst Dein altes Ich loslassen und neu, gesund und befreit in die Zukunft gehen. Das ist es, was ich mir wünsche und was ich auch Dir wünsche.
Foto von Jamie Street auf Unsplash
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