Wie man wütend wird und daraus lernt
Seit mein Buch „Endometriose – Ein Selbsthilfebuch“ erschienen ist, bin ich in den sozialen Medien aktiver als je zuvor. Ich habe Spaß daran mitzuverfolgen, wer mein Buch liest und was die Menschen dazu sagen. Ich möchte seine Inhalte mit Betroffenen teilen. Es gibt zum Beispiel auf Instagram eine sehr aktive Endometriose-Community, und es ist schön, ein Teil davon zu sein.
Letzte Woche war es dann aber so, dass ich gemerkt habe, dass ich weniger und weniger aktiv bin. Grund war eine Diskussion innerhalb dieser Community. Es ging um die Diagnosemöglichkeiten der Erkrankung. Als bei mir das erste Mal die Vermutung Endometriose im Raum stand, schrieben wir das Jahr 2004. Das ist lange her. Damals war es noch üblich, eine Bauchspiegelung (eine minimalinvasive Operation) NUR zur Diagnose durchzuführen. Mit den Jahren wurden die ärztlichen Leitlinien zur Endometriose mehrmals überarbeitet. Man ist dazu übergegangen, bei dieser Diagnose-Operation gleich auch eine sogenannte „Sanierung“ durchzuführen, statt die Patientin zweimal den Strapazen und Risiken einer OP auszusetzen.
Außerdem sind die diagnostischen Möglichkeiten besser geworden. Mittels Anamnese, Tastuntersuchung, gynökologischem Ultraschall und MRT kann man heute zu einer sehr wahrscheinlichen Verdachtsdiagnose kommen. Heutzutage können ausgewiesene Spezialist*innen mit etwa 95%iger Wahrscheinlichkeit ohne OP voraussagen, ob es sich bei einem Befund um Endometriose handelt oder nicht. Trotzdem – wenn einem 95% Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen – geht in Sachen Diagnostik bis heute kein Weg an einer OP vorbei.
Ich kenne mich aus!
Um diese Frage – Reicht eine Verdachtsdiagnose? – ist eben letzte Woche innerhalb der Endometriose-Community auf Instagram eine heiße Diskussion entbrannt. Ich habe gemerkt, dass mich das emotional mitnimmt. Ich wurde wütend. Jede Meinung, die dazu geäußert wurde, hat mich gereizt. Ich war ein paar Mal kurz davor, mich in diese Diskussion einzumischen. Schließlich habe ich mit meinen 43 Jahren – und 16 Jahren seit meiner Verdachtsdiagnose – extrem viel Erfahrung zu dem Thema.
Ich war auch fast zehn Jahre lang Obfrau von EVA – der Endometriose Vereinigung Austria. Ich habe zahlreiche Endometriose-Kongresse besucht, Vorträge auf Ärztefortbildungen gehalten und war viele Male bei der sogenannten Weißensee-Tagung dabei. Das ist ein jährliches Treffen der führenden deutschsprachigen Endometriose-Spezialist*innen, wo unter anderem der sogenannte Enzian-Score entwickelt wurde. Der wird international zur Klassifikation von tief infiltrierender Endometriose verwendet.
Ich hätte also durchaus etwas zu diesem heißen Diskussions-Thema beizutragen gehabt. Trotzdem habe ich mich nicht zu Wort gemeldet. Denn – nicht zuletzt durch meine Endometriose – habe ich gelernt, nicht unreflektiert emotional zu agieren. Mir ist heute wichtig, in mich hineinzuhören und herauszufinden, was meine Emotionen mir wirklich sagen wollen. Ich habe also ein paar Tage gebraucht, um mir eine fundierte Meinung zu bilden. Ich musste darüber schlafen, alle Informationen verdauen und auch noch ein paar Mal spazieren gehen, bis ich wirklich wusste, warum ich mich so geärgert hatte.
Das Diskussions-Thema ist falsch!
Erst nach Tagen wurde mir wirklich bewusst, was mich so getriggert und meine Emotionen heißlaufen hat lassen. Ich habe mich darüber geärgert, worüber da eigentlich diskustiert wird. Die unter euch, die mich schon länger kennen, ahnen vielleicht schon, was jetzt kommt. Ich bin ein Mensch, der ganzheitlich denkt und Symptome und Erkrankungen ganzheitlich betrachtet. Bei mir geht es immer darum, was einem Symptome sagen wollen, auf welche Ursache sie einen hinweisen wollen, was man durch die Krankheit verstehen soll.
Und genau deswegen finde ich, dass diese Diskussion am Thema vorbeigeht. An meinem Thema. Ich trete nicht an, um über Endometriose aufzuklären. Nicht mehr! Das habe ich die letzten fünfzehn Jahre lang gemacht. Zwar nicht auf Social Media, aber mit meinem ehrenamtlichen Engagement in der Endometriose-Vereinigung. Been there, done that.
Mir ist heute viel wichtiger, Menschen dazu zu inspirieren, hinter ihre Symptome zu schauen, sich Auslöser bewusst zu machen, sich zu entwickeln und zu lernen. Ich unterstütze gern Frauen mit Endometriose – deswegen habe ich auch mein Selbsthilfe-Buch geschrieben – aber auch alle anderen Menschen, die sich unwohl fühlen, krank sind, oder einfach an einem Punkt angekommen, wo sie das Gefühl haben, allein nicht weiterzukommen.
Ganzheit statt nur Schulmedizin!
Anstatt also über die schulmedizinische Sicht auf Endometriose zu reden, rede ich lieber über die ganzheitliche Sicht auf Symptome. Die ist meiner Meinung nach nämlich viel wichtiger, und wird so häufig vernachläsigt. Statt nur Symptome zu unterdrücken, Herde zu entfernen, Gewebeproben zu analysieren und das Gefühl zu haben, jetzt für immer krank zu sein, könntest du die Chance ergreifen, dich durch die Erkrankung besser kennenzulernen.
Diese Meinung ist nicht bei allen Menschen populär. Das ist mir klar, und eine „Größter Mist!“-Bewertung zu meinem Buch auf amazon hat mich mal wieder darauf hingewiesen. Aber das weiß ich. Damit kann ich leben. Ich will niemenden missionieren (siehe dazu Blogartikel ICH HABE KEINE MISSION). Aber ich möchte auch keine Energie mehr in Diskussionen stecken, die meiner Meinung nach nebensächlich sind.
Und bei der virtuellen Diskussion zur Diagnosemöglichkeit von Endometriose letzte Woche habe ich mich fast dazu genötigt gefühlt. Ich habe den Drang versrpürt, meine Erfahrung sprechen zu lassen. Gleichzeitig war es mir aber total zuwider, diesen Inhalt zum Content auf meiner Seite zu machen. Und deswegen war ich so verärgert. Wütend. Wütend auf mich selbst, weil ich die Klarhit meiner Botschaft kurz verloren hatte.
Kein Endometriose-Buch! Ein Selbsthilfebuch!
Diese Klarheit habe ich verloren, weil ich seit der Veröffentlichung meines Buches viel mehr zum schulmedizinischen Bild der Endometriose gefragt werde als zu dem, worum es in meinem Buch wirklich geht. Ich habe meinen Fokus verloren, weil Endometriose leider noch immer viel zu wenig bekannt ist. Hätte ich ein Buch über Rheuma, Diabetes oder Brustkrebs geschrieben, bekäme ich sicher viel weniger Fragen zur Krankheit und viel mehr Fragen zu meinen ganzheitlichen Ansätzen, Selbsthilfemöglichkeiten und den Inhalten, die ich eigentlich wirklich wichtig finde.
Endometriose ist also offensichtlich immer noch viel zu wenig bekannt und anerkannt in unserer Gesellschaft. Deswegen bin ich so froh, dass es – anders als vor 16 Jahren – so viele engagierte Frauen gibt, die Endometriose zu ihrem Thema auf Social Media machen. Über #endomtriose findest du heute extrem viele Informationen zu der Erkrankung, und du kannst dich mit anderen dazu austauschen. Ich kann dich nur ermutigen, das auch zu tun, so findest du sicherlich viel mehr Infos als bei mir. Wenn du allerdings bereit bist, dich ganzheitlich mit dir, deinen Symptomen und den dazugehörigen Ursachen auseinanderzusetzen, dann bist du bei mir richtig. Und darauf werde ich in Zukunft meinen Fokus auch wieder viel mehr richten. Dann muss ich auch nicht mehr so viel grantig sein.
Foto von belle & sass.
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